Alpencross Tag 2 Fimberpass
Ischgl - Bodenalpe - Fimbertal - Heidelberger Hütte - Fimberpass - Griosch - Vna - Ramosch - Sur En
36 km / 1540 hm
"Da kommt man gut in Fahrt!" kommentiert Sonja, eine bikende Kollegin.
Kommentiert hat sie ein Foto der Asphaltkehre wenige Höhenmeter oberhalb von Ischgl. Sie und hunderte Alpencrosser haben die Erfahrung schon gemacht, dass es von Ischgl sausteil rauf geht ins Fimbertal. Unterhalb der Seilbahn fällt das Bergaufbiken leicht, die Seilbahn ist ja so früh noch nicht in Betrieb. Eine Stunde später würde es vielleicht anders aussehn.
Oldschool ist heute angesagt.
So wie 2007 will ich heute traditionell durchs Fimbertal. Das heisst, nicht mit Seilbahnunterstützung rauf zur Idalpe und die Fuorcla val Gronda (2013) angreifen und auch nicht den Trail vom Zeblasjoch zur Gampenalpe runterpoltern. Die Zeblasjoch Alternative kann ja noch kommen, bei einem der nächsten AlpenXe.
Ab der kleinen Kapelle, kurz nach der Mittelstation der Fimbabahn, lässt die Steigung ein wenig nach. Der uphill wird human. Was ein wenig nervt sind die vielen LKWs welche zu einer Baustelle auf Höhe der Gampenalpe unterwegs sind. Ich weiß ja nicht was hier in den Boden gestampft wird, aber mir kommt es so vor als hätten sich hier großkopferte Hotel- und Liftbesitzer durchgesetzt. Auf Kosten der Natur im Fimbertal. Erst nach der Gampenalpe wird das Fimbertal so wie ich es in Erinnerung habe. Ohne staubende und lärmende LKWs bike ich auf Schotter durch das weite Hochtal. Immer am Fimbabach entlang gewinne ich Höhenmeter ohne es eigentlich zu merken. Rechts von mir, schneebedeckte Gipfel von Gamspleisspitze (3014 m) und Lareinfernerspitze (3009), vor mir das imposante Fluchthorn mit seinen 3399 m Höhe.
Der mysteriöse Name "Fluchthorn" kommt eigentlich nicht speziell diesem Berg zu. Jede Höhe, welche der gejagten Gemse Zuflucht bietet, wird in jener Gegend vom Jäger Fluchtspitze geheißen. Als Bezeichnung der Gebirgsform ist dort, wie auch weiter ostwärts, das Wort Horn nicht gebräuchlich. Mit der „Flucht“ ist also jene des Wildtiers vor dem Jäger gemeint. Und das „Horn“ ist eine Bezeichnung, die in eine neuere Generation der topographischen Karte gerutscht ist. Am 12. Juli 1861 gelang Weilenmann und Pöll die Erstbesteigung des Fluchthorns. Damit war die Aufmerksamkeit auf den Berg gelenkt: Der Name „Fluchthorn“ glänzte im Licht der Leistung der Alpinisten.
Auf einer Höhe von 2127 m reise ich in die Schweiz ein. Mein Personalausweis interessiert dabei niemanden, was gut ist. Die Heidelberger Hütte ist schon seit längerem zu sehen, ich komme ihr und meinem Apfelstrudel in Vanillesauce immer näher, was auch gut ist.
Nach einer ausgiebigen Pause auf der Sonnenseite der Heidelberger Hütte gehts rauf auf den Fimberpass. 350 Höhenmeter sind es, die ich
13 kg Alu und gut 7 kg Rucksack da rauf schleppe. Frisch gestärkt ist das aber gar kein Problem. Der Weg da rauf ist durchgehend easy zu schieben, Tragepassagen gibt es hier nicht.
Oben angekommen fotografiere ich erstmal 360° um mich herum jeden Stein. Auf 2608 m Höhe ist die Landschaft eine andere, schroffer und alpiner. Hier beginnt mein AlpenX so richtig. Zum dritten mal stehe ich hier oben, der Wind pfeift mir um die Ohren. Ich schwelge in Erinnerungen und freue mich auf neue Streckenabschnitte die ich die nächsten Tage kennenlernen werde. Und ich freue mich auch auf die bevorstehende Abfahrt vom Fimberpass.
Der Downhill hier runter war die letzten beiden male sehr fordernd. Eigentlich durchgehend fahrbar aber nicht einfach. Und so ist es auch heute. Die für den Fimberpass typischen Schieferplatten lassen das ein oder andere mal meine Reifen unkontrolliert zur Seite ausbrechen. Es waren wohl massive Regenfälle, die den Trail, runter ins Inntal, ausgewaschen und erodiert haben. Stufen, große Felsbrocken und teilweise recht enge Rinnen machen das Salz in der Suppe. An einer Stelle ist die Suppe dann doch versalzen, meine Vorderrad schmiert mir im losen Schotter weg, ich kann einen größeren Sturz gerade noch auslaufen, mein Radl liegt 5 Meter weiter oben. Und schon geht es weiter.
Weiter unten ist der Trail nicht mehr so bockig. Nach der alleits bekannten Brücke rolle ich noch an einer Kuhherde vorbei und anschließend durch die duftenden Hinterlassenschaften der lieben Weidetiere. Ich will um 15:30 Uhr in Sur En vorm TV Gerät sitzen. Das schaffe ich, auch wenn ich mir in Griosch auf einer Höhe von 1817 m einen selbstgemachten Tannenzapfensirup gönne.
Über das urige Gartenbeizli Tanna da Muntanella hab ich mich ein wenig schlau gemacht.
Die Hütte ist 200 Jahre alt. Im Lawinenwinter 1999 sind nur drei Maiensässe stehen geblieben. So wurde Griosch, ausser der Boden auf dem die Hütte steht, zur Lawinenzone erklärt. Das bedeutet dass hier keine weiteren baulichen Maßnahmen getroffen werden dürfen. Alles ist provisorisch errichtet, das genau macht aber den Charme des kleinen Gasthofes aus.
Die Besitzer Doris Bertschinger und Chasper Mischol leben hier in Nachbarschaft mit Familie Gems, Hirsch und Reh. Herr und Frau Bartgeier, Murmeltier und Steinadler schauen hin und wieder mal vorbei.
Wenn ich gewusst hätte, dass das Unvorstellbare eintrifft, dass die deutsche Elf aus der WM ausscheidet, dann hätte ich mir im urigen Gasthof mehr Zeit gelassen und nicht nur einen Sirup gegönnt.
Und wenn ich gewusst hätte, dass hier in der Schweiz ein Wiener Schnitzel, mit drei Pommes, ohne Salat 28,- Euro kostet, dann hätte ich mir gestern noch eine zweite Tüte Proviant an den Rucksack gebunden und heute über den Fimberpass geschleppt.
Morgen bin ich in Italien, hurra...
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